Textversion

April 2008
"Kirche ist nicht nur das reformbedürftige, patriarchale und zentralistisch übersteuerte System. Kirche ist auch der Ort von Menschen, mit denen ich für ein glaubwürdiges Christsein unterwegs sein möchte. Und dabei weiß ich - und halte es in Gemeinschaft mit anderen aus -, dass der Erfolg uns keinen Treueeid geschworen hat. Aber: Solidarität macht lebendig! Und alle berechtigte Kritik am System hält mich nicht davon ab, die christliche Tiefe der Kirche zu lieben. Das soll auf Dauer keine Veränderung bewirken?"
Prof. Dr. Leo Karrer




Mai 2008
"An der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, sollen die Quellen sichtbar werden, aus denen wir leben. Miteinander statt Gegeneinander, Versöhnung statt Vorurteile, Verantwortung statt Desinteresse, Gemeinschaft statt Egoismus - das sind die Markenzeichen des Heiligen Geistes"
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch




Juni 2008
"Wir brauchen auf dem Weg des Friedens kritische und verlässliche Weggefährten wie pax christi, Gefährten, die nicht gleich bei jedem Regenguss den Weg unterbrechen, Gefährten, die aber auch die Einladungen am Weg annehmen können und nicht stur mit gesenktem Kopf geradeaus marschieren, weil sie nicht zugeben können, sich auch einmal verlaufen zu haben. Alles in allem also: Gefährten, von deren Erfahrung wir alle - die Kirche und die Gesellschaft - lernen können."
Georg Kardinal Sterzinsky



Juli - November 2008
„Im Ortsgespräch gibt es nicht selten kirchenkritische Töne, kein Wunder wenn ein Kirchenmann schreibt. Bestimmte Christen fühlen sich regelmäßig betroffen, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass manches in der Kirche oberfaul ist.

Heute wähle ich die Feststellungen eines bekannten Kardinals, der fast – wegen seiner Offenheit aber nicht – Papst geworden wäre: Carlo Martini aus Mailand. Der 81Jährige verbringt den Ruhestand in Jerusalem. Seine kritischen Worte vor Priestern werden kaum Eingang in die kirchliche Presse finden.

Der Kardinal warnte vor den vier Todsünden seiner Kirche, Eitelkeit, Neid, Verleumdung und Karrieresucht: ‚Die Sünde, die in der Kirche am stärksten verbreitet ist, ist Neid.’ Dazu komme die Verleumdung: ‚Es gibt ganze Diözesen, die von anonymen Briefen zerstört worden sind, die oft auch in Rom geschrieben werden.’ Martini nannte drittens die Sünde der Eitelkeit, ‚die sich schon in den Gewändern zeigt. In der Vergangenheit trugen die Kardinäle Gewänder mit einer sechs Meter langen Seidenschleppe.’

Der Kardinal prangerte das Streben nach Karriere an. ‚Daraus entsteht eine gewisse Zensur der Worte. Man sagt bestimmte Dinge nicht, weil man weiß, dass sie der Karriere schaden könnten. Dies ist ein riesiges Übel der Kirche, weil dies uns daran hindert, die Wahrheit auszusprechen.’

‚Leider gibt es Priester, die sich zum Ziel setzen, Bischöfe zu werden, und es gelingt ihnen. Es gibt Bischöfe, die nicht sprechen, weil sie wissen, dass sie sonst nicht befördert werden. Wir müssen Gott um das Geschenk der Freiheit bitten’, um endlich wieder die Wahrheit zu sagen.

Wer könnte diesen eindeutigen Worten widersprechen?“
Roland Breitenbach, St. Michael Schweinfurt



Dezember 2008 - Januar 2009
"Trotz aller Profanierung behält Weihnachten seine unverletztliche Heiligkeit, eine Heiligkeit, die dem Leben eigen ist. Alles Leben ist heilig und weist auf ein hochheiliges Geheimnis hin. Darum ist jedes Attentat auf das Leben ein Attentat gegen Gott selbst. Im Leben des Jesusknaben feiert der Glaube die Offenbarung des wahren Lebens und die Mitteilung des eigentlichen Geheimnisses.Das Gespür für diese Tiefe ist in unserer säkularisierten Gesellschaft noch nicht verlorengegangen. Darum bedeutet Weihnachten mehr als alle seine manipulierbaren Symbole; es ist reicher als alle Konsummechanismen. (...) Um feiern zu können, müssen hemmende Ängste beseitigt werden. Er ist nicht gekommen, um zu richten; er wurde nicht geboren, um zu verurteilen. Um das glaubhaft zu machen, erschien er als kleines Kind. Sein Weinen ist mild, es verscheucht niemanden. Seine Mutter hat seine schwachen Ärmchen umwickelt, warum fürchtest du noch? Er kam nicht bewaffnet, um zu strafen. Machtlos ist er gekommen, um bei uns zu bleiben und uns zu befreien. Feiere die Ankunft deines besten Freundes!"

Leonardo Boff



Februar 2009
"Eigentlich sollte hier als Forderung stehen, dass alle westlichen Politiker, die für Kriege stimmen, dreißig Tage an die Front müssten. Das hieße: deutsche Politiker in Spähtrupps nach Kunduz und US-Politiker auf Patrouillenfahrt nach Mosul und Kandahar. Damit sie einmal in die Augen der Menschen schauen, über deren Leben sie so'großzügig' entscheiden.
Ich weiß, diese Forderung klänge absurd - vor allem wenn man sich einige unserer Sofastrategen an der Front vorstellt. Aber ist es nicht noch absurder, Bomben auf Menschen zu werfen, die uns nichts getan haben? Und junge Soldaten in Kriegen sterben zu lassen, über deren Torheit man noch in Jahrhunderten fassungslos staunen wird? Hat Peter Ustinov nicht recht, wenn er sagt: 'Krieg ist der Terrorismus der Reichen'? Könnte es sein, dass die Staatsraison des Westens, Terroristen seien immer nur die anderen, eine zynische, selbstgerechte Lebenslüge ist?"
Dr. Jürgen Todenhöfer



März - November 2009
"Die soziale Marktwirtschaft ist schon lange in Gefahr - wenn man diese Wirtschaft überhaupt noch sozial nennen kann. Doch diese Gefahr geht nicht von der Debatte über die Verstaatlichung einer maroden Bank aus, sondern von der Art, wie seit Jahren gewirtschaftet wird. Die Finanzkrise konnte überhaupt nur entstehen, weil der freie Markt alles und der Staat lange nichts war. Die Finanzkrise ist das Sinnbild dafür, dass das angebliche Recht der Eigentümer auf eine hohe Rendite höher bewertet wurde als die grundgesetzlich verbriefte Sozialpflichtigkeit des Eigentums."
Dr. Wolfgang Kessler



Dezember 09 - März 10
"Der Glaube kann deutlich machen, dass Konsum, Kommerz, Geld, Raffgier, Gewinnstreben und Aktien das Leben nicht dominieren sollten. Entscheidend im Leben sind doch ganz andere Fragen, wie beispielsweise: Warum bin ich auf dieser Welt? Vor wem verantworte ich mich? Wie will ich das Leben in seiner ganzen Fülle wahrnehmen? Solche Nachdenklichkeit werden unsere Kirchen immer einbringen in eine Welt, die völlig ökonomisiert und egomanisch zu werden scheint."
Bischöfin Dr. Margot Käßmann



April - Dezember 10
"Das Grundgesetz ist indifferent gegen ein bestimmtes konkretes Wirtschaftssystem. Aber die Märkte sind in gesellschaftliche Verhältnisse eingebettet, sind eine Kulturaufgabe, Bestandteil eines gesellschaftlichen Gestaltungswillens. Sie unterliegen politischer und moralischer Verantwortung.
Der Gegenpol zur Dynamik des Kapitalismus sind die demokratischen Verfahren und Institutionen. Märkte sind überhaupt nur funktionsfähig, wenn sie moralisch, rechtlich und politisch reguliert sind. Das gilt für den Wettbewerb – er steuert sich nicht selbst. Das gilt für die Geldverfassung – sie ist einer rein privaten Steuerung entzogen. Öffentliche Güter bereitzustellen, für den sozialen Ausgleich zu sorgen sowie die wechselnden Stimmungslagen der Privatwirtschaft zu stabilisieren, ist Aufgabe des Staates."
(Aus der Einleitung zum Urteil des attac Banken Tribunals, Berlin, 11.04.10)
Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach



Januar - Juni 2010
Zur Rolle gewisser Politiker
"Sie sind die Handlanger dieser Banditen, die so lange an der Börse spekulierten, bis alles einkrachte. Sie streichen dort, wo niemand protestiert. Die Menschen, die verhungern, liegen ja nicht auf der Wiese vor dem Reichstag. Ich sage Ihnen etwas: Alle fünf Sekunden stirbt auf dieser Welt ein Kind an Hunger. So steht es im World Food Report der FAO, der Ernährungsorganisation der UNO. Alle fünf Sekunden, jetzt, während wir reden! Alle vier Minuten verliert ein Mensch sein Augenlicht, nur weil er zu wenig Vitamin A bekommt. Jeder sechste Mensch ist permanent schwerst unterernährt..." ("Ich bin ein weißer Neger", Dossier, Die Zeit Nr. 1, 30. Dezember 2010)
Prof. Dr. Jean Ziegler



Sommer 2011
Im Jahr von Fukushima, 25 Jahre nach Tschernobyl, im dritten Jahr der Finanzkrise, zum 70sten Geburtstag von Bob Dylan

"The line it is drawn
The curse it ist cast
The slow one now
Will later be fast
As the present now
Will later be past
The order is rapidly fadin'
And the first one now will later be last
For the times they are a-changing"
Bob Dylan





Archiv "Aktuelles"